Viele Arbeitnehmer fragen sich: Muss ich die Zeit auf dem Weg zur Arbeit wirklich selbst tragen? Gilt das auch bei langen Fahrzeiten oder bei Auswärtsterminen? Die Einordnung von Fahrzeiten in Arbeitszeit oder Freizeit ist oft kompliziert – aber entscheidend für die Vergütung und den Schutz vor Überlastung. Hier sind fünf typische Konstellationen und die dazugehörige Rechtslage.
Die tägliche Fahrt von zu Hause zum Betrieb – etwa ins Büro oder in die Werkstatt – gilt nicht als Arbeitszeit. Der Gesetzgeber sieht diese sogenannten Wegezeiten als privaten Lebensbereich an. Auch der Heimweg fällt in diesen Bereich.
Rechtliche Folge: Kein Anspruch auf Bezahlung, keine Arbeitszeiterfassung.
Ausnahme: Wird während der Fahrt dienstlich telefoniert oder werden dienstliche Aufgaben übernommen (z. B. Material transportieren), kann die Zeit teilweise als Arbeitszeit gelten.
Anders bei Außendienstmitarbeitern: Wer täglich zu wechselnden Einsatzorten fährt und keinen festen Arbeitsort hat, befindet sich mit Fahrtbeginn im Dienst.
Grundsatz (EuGH, C-266/14 – Tyco): Die Fahrten vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause gelten voll als Arbeitszeit. Diese Einschätzung basiert auf der fehlenden Möglichkeit, die Wegezeiten zu beeinflussen – Arbeitnehmer sind dem Arbeitgeber vollständig verfügbar.
Tipp: Diese Regelung betrifft insbesondere Monteure, Techniker, Handelsvertreter und andere mobile Kräfte ohne festen Arbeitsplatz.
Bei auswärtigen Terminen oder Schulungen kommt es darauf an:
Übernachtung auf Dienstreise: Die reine Übernachtung zählt nicht als Arbeitszeit. Wird jedoch in der Zeit gearbeitet, z. B. durch Teilnahme an Abendterminen oder Telefonkonferenzen, ist das als Arbeitszeit zu bewerten.
Hinweis: Tarifverträge (z. B. TVöD) und Betriebsvereinbarungen enthalten oft großzügigere Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer.
Ein typischer Ablauf in vielen Handwerksbetrieben:
Entscheidend: Die Fahrten im Auftrag des Arbeitgebers, also zwischen Firma und Kunde, gelten immer als Arbeitszeit. Dagegen bleiben der Arbeitsweg zur Firma und zurück nicht vergütungspflichtig, auch wenn sie länger sind.
Tipp: Wenn die Firma auf den morgendlichen Treffpunkt verzichtet und der Kunde direkt angefahren wird, kann dies sogar vorteilhaft für Arbeitnehmer sein – insbesondere bei der Vergütung.
Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer grundsätzlich an einen anderen Arbeitsort versetzen, wenn dies im Arbeitsvertrag vorgesehen ist (z. B. durch eine sogenannte Versetzungsklausel). Doch auch dann gilt: Der neue Arbeitsort muss zumutbar sein.
Wichtig: Eine längere Fahrzeit ist nicht automatisch zumutbar.
Laut einem Beitrag von arbeitsvertrag.org sowie der Rechtsprechung des BAG (z. B. BAG 2 AZR 262/14) kommt es auf mehrere Faktoren an:
ArbeitszeitmodellMax. tägliche Fahrzeit (Hin- & Rückweg)Vollzeit (≥ 35 h)bis zu 3 Stunden, davon max. 2 h mehr als bisherTeilzeit (< 35 h)bis zu 2 Stunden, davon max. 1,5 h mehr
Diese Grenzen orientieren sich an tariflichen Regelungen bei der Deutschen Post und sind nicht gesetzlich fixiert, dienen aber oft als Richtschnur.
Beispiel: Wer bisher 30 Minuten zur Arbeit brauchte, muss bei einer Versetzung auf 1:50 Stunden Fahrzeit nicht automatisch zustimmen – je nach Einzelfall kann dies unzumutbar sein.
Gerichte prĂĽfen Versetzungen im Einzelfall. Folgende Punkte sind entscheidend:
BAG, 6 AZR 864/09: Bereits eine Erhöhung der Fahrtzeit um mehr als 10 % kann in besonderen Einzelfällen unzumutbar sein.
BAG, 6 AZR 416/09: Eine Steigerung um über 40 % führte hier zur Unwirksamkeit der Versetzung.
Auch das SGB III (für Arbeitslose) kennt zumutbare Pendelzeiten (§ 140 SGB III):
Diese Grenzen gelten zwar nicht direkt für Arbeitsverträge, geben aber einen praxisnahen Rahmen für die Beurteilung von Versetzungen.
Nicht jede Fahrt ist Arbeitszeit – und nicht jede Versetzung ist zumutbar. Wer mobil arbeitet, sollte die rechtlichen Unterschiede zwischen Wegezeit, Arbeitszeit und Dienstreise genau kennen. Besonders bei längeren Fahrzeiten, Versetzungen oder Außendiensttätigkeiten lohnt sich ein kritischer Blick auf den Arbeitsvertrag und ggf. juristische Beratung.
Tipp: Arbeitnehmer müssen sich nicht alles gefallen lassen. Wird der Arbeitsweg unzumutbar verlängert oder fehlt eine vertragliche Grundlage, kann eine Versetzung unwirksam sein.
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